Konkurrenz lauert an jeder Ecke: der Kollege mit dem besseren Lösungsvorschlag, die Bloggerin mit viel mehr Followern, die Freundin mit dem schnelleren Diäterfolg und der Trainingspartner mit der niedrigeren Bestzeit. Konkurrenzdenken muss aber noch lange nicht negativ sein, denn es lässt sich vielfältig aus Konkurrenzsituationen profitieren. Das Prinzip nennt sich Coopetition.
„Wissen und Erfahrungen sind wertvoller, wenn wir sie teilen.“ Dieses Zitat von Wladimir Klitschko bringt seine Philosophie als ehemaliger Profiboxer und erfolgreicher Unternehmer auf den Punkt. Er hat nicht nur ein Buch mit dem Titel „Challenge Management“ auf den Markt gebracht, sondern auch einen Studiengang an der Schweizer Universität St. Gallen ins Leben gerufen, in dem er die Grundlagen des Selbst- und Challenge-Managements vermittelt. Klitschko sagt, dass Spitzensportler die Gabe hätten, Probleme als Herausforderung, also als Challenge zu begreifen und sie entsprechend anzugehen. Darauf aufbauend sind die Eckpfeiler seiner Managementlehre das Nutzbarmachen eigener Erfolge für andere, das Lernen aus Niederlagen sowie langfristige Planung. Konkurrenz ist also ein wesentlicher Teil seines Erfolgsrezepts. Man muss nur wissen, wie man von seinen Mitstreitern profitieren kann und gemeinsam stärker wird.
Coopetition
Die Wortneuschöpfung „Coopetition“ setzt sich aus den einzelnen Wörtern Competition (Wettbewerb) und Cooperation (Zusammenarbeit) zusammen und wurde 1996 von den zwei Ökonomen Nalebuff und Brandenburger etabliert. Der Begriff stammt also aus dem Wirtschaftsbereich und beschreibt, dass Konzerne in unserer globalisierten und digitalen Welt eher wachsen und gedeihen, wenn sie mit anderen Konkurrenten als strategische Allianzen in gewissen Bereichen kooperieren. So können zum Beispiel gemeinsame Projekte realisiert werden, die Forschung kann vorangebracht, Expertenwissen ausgetauscht und die allgemeinen Bedingungen verbessert werden. So kann ein ruinöser Preiswettbewerb verhindert und eine Win-Win-Situation geschaffen werden. Veranschaulicht gesagt soll es darum gehen, Wege zur Vergrößerung des Kuchens zu finden statt nur mit Konkurrenten um den Kuchen einer bestimmten Größe zu streiten. Frank Dopheide sagt: „Coopetition ist zum Überlebensprinzip geworden. Es gilt nicht mehr, dass der Stärkste allein am stärksten ist“. Die Welt ist schlichtweg zu komplex geworden, um alle Herausforderungen allein bestehen zu können.
Von Konkurrenz profitieren
Wie lassen sich die Vorteile von Coopetition nun auf das eigene Sporttreiben anwenden? Die Voraussetzungen für das Prinzip von Coopetition sind Vertrauen und Respekt den anderen gegenüber. Es gilt, sich vom bloßen und teilweise krankhaften Konkurrenzdenken zu distanzieren und die Perspektive einzunehmen: Was kann ich vom anderen lernen? Welche Erkenntnisse gewinne ich aus einer Niederlage? Und was kann ich leisten, um anderen zum Erfolg zu verhelfen?
Bei genauerer Betrachtung ist Coopetition schon lange eine etablierte Methode im Leistungssport. So braucht der Boxer beispielsweise einen Sparring-Partner zum Trainieren. Klitschko sagt in einem Interview: „Die Vorstellung, mit einem Konkurrenten zu kooperieren, etwas Größeres aufzubauen, ist wichtig. Anthony Joshua war mein Sparring-Partner. Er hat mich vorbereitet auf einen Kampf gegen Kubrat Pulev. Das heißt: Mein damals zukünftiger Gegner hat mich für einen anderen Kampf fit gemacht. Man kann als Konkurrenten Synergien finden, auch wenn man sich später wieder trennt.“
Auch im Trainingslager von Triathleten, Schwimmern oder Leichtathleten trainieren Konkurrenten miteinander, unterstützen sich, geben sich wichtige Hinweise, lernen von den Stärken der anderen und arbeiten gezielt an eigenen Schwächen. Trotz des Wettbewerbs profitieren die Sportler von den Kompetenzen, Anregungen und Ideen der Mitstreiter.
Gamechanger Coopetition
Auch als Hobby- und Breitensportler kann Coopetition ein echter Gamechanger sein. Sebastian Gotzler hat sich in seiner Bachelor-Arbeit mit Challenge Management und Coopetition beschäftigt und gibt wertvolle Tipps, wie Konkurrenz die eigene Leistung beflügeln kann, statt für Stress und Frustration zu sorgen.
Coopetition viel mit der eigenen Einstellung zu tun, sagt Gotzler. Begegne man der Konkurrenz mit Neid und Missgunst, werde aus gesunder Konkurrenz schnell ein anstrengender Machtkampf. Fokussiert man sich zum Beispiel nur auf die sportliche Leistung des Konkurrenten im Vergleich zur eigenen, kann dies zu Frustration führen. Wenn dagegen hinterfragt wird, was der Mitstreiter besser macht, um zu den gewünschten Ergebnissen zu gelangen, profitiert man von den Erfahrungen und der Strategie des anderen.
Sebastian Gotzler weiß, dass der richtige Umgang mit Konkurrenz nicht immer leicht, aber zu erlernen ist. Dazu solle man vor allem an der eigenen Selbstreflexion, Ehrlichkeit und Selbstkritik arbeiten. Selbstreflexion gilt dabei als Grundvoraussetzung, denn um die Unterschiede zwischen sich selbst und einem Mitstreiter zu erkennen, sei ein ehrliches und vollständiges Bild über die eigene Person unabdingbar. Auch Ehrlichkeit zahle sich aus, um erstens sich selbst gegenüber Fehler einzugestehen und um zweitens offen mit dem (besseren) Konkurrenten in den Austausch zu treten. Auch Kritikfähigkeit spiele eine große Rolle, denn wer seine Leistung steigern will, muss sich von anderen auch helfen und manchmal eben auch kritisieren lassen können.
Fünf Aspekte gesunder Konkurrenz
Sebastian Gotzler fasst die Vorteile gesunder Konkurrenz in fünf Aspekten zusammen. Zunächst hilft Konkurrenz, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ohne Konkurrenz kann der Fokus aufs Training und sportliche Routinen schnell verloren gehen. Im sportlichen Wettbewerb hingegen bleibt die Motivation für harte Einheiten und regelmäßiges Training hoch.
Zweitens kann Konkurrenz dabei helfen, eigene Schwachstellen aufzudecken. Laut Gotzler ist der Vergleich mit seinen Mitstreitern immer auch ein guter Maßstab für die eigene Performance und ermöglicht so persönliche Weiterentwicklung. Dies gelingt allerdings nur, wenn der Erfolg anderer akzeptiert wird und die Bereitschaft besteht, von Mitstreitern zu lernen.
Konkurrenz kann außerdem dazu beitragen, das eigene Selbstwertgefühl zu steigern. Gelingt es nämlich, sich im Sport oder auch beruflich gegen einen Mitbewerber durchzusetzen, wird das eigene Ego gepusht. Natürlich trainiert man immer auch für die eigene Gesundheit, aber das Gefühl, den dritten Platz bei einem Volkslauf über zehn Kilometer zu belegen und einen Pokal in der Hand zu halten, ist einfach unschlagbar. Für einen extra Motivationsschub kann es laut Gotzler daher Sinn machen, die eigenen Kräfte regelmäßig mit anderen über Apps oder in Wettkämpfen zu messen.
Der vierte Aspekt von gesunder Konkurrenz ist das Offenbaren von Alleinstellungsmerkmalen. Die wenigsten Menschen wollen in der grauen Masse unter gehen und suchen geradezu nach etwas, was sie von anderen abhebt. Daher ist es ratsam, sich die Konkurrenz genau anzusehen und basierend auf dieser Analyse eine eigene Erfolgsstrategie zu entwickeln. Was kann ich, was kein anderer macht? Welche Kompetenz unterscheidet mich von meinen Mitstreitern? Was passiert, wenn ich gegen den Strom schwimme?
Schlussendlich schafft Konkurrenz die Möglichkeit zu glänzen. Ohne jegliche Konkurrenz gäbe es keine Chance auf Anerkennung von anderen oder das Gefühl des Stolzes über die eigene Leistung. Auch der Ansporn und die Motivation würden langfristig verlorengehen. Sebastian Gotzler betont, dass erst die Konkurrenz zu Höchstleistungen antreibt und dazu beflügelt, die eigene Komfortzone zu verlassen. Schließlich sei es das beste Mittel, sich an die Fersen eines starken Konkurrenten zu hängen, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.
Quelle: shape UP
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