Chronische Schmerzen sind eine der Hauptursachen für eingeschränkte Lebensqualität und Behinderung und Schmerztabletten ein einfaches Mittel gegen das akute Leiden – auf Dauer helfen sie allerdings nicht. Körperliche Aktivität und Training hingegen helfen akut und nachhaltig. Ein möglicherweise wesentlicher Einflussfaktor ist die Verbesserung von mit dem Schmerz assoziierten neuronalen Strukturen.
Studie – Mai 2023 (Palmer et al., 2023)
Training verbessert die Gehirnfunktion und verringert die Schmerzwahrnehmung bei Erwachsenen mit chronischen Schmerzen: Eine systematische Übersicht über Interventionsstudien
Zusammenfassung
Einleitung:
Chronische Schmerzen (Chronic pain (CP) länger als 12 Wochen) sind weltweit eine der Hauptursachen für Behinderungen. Schmerzen können mit Hilfe subjektiver Fragebögen gemessen werden, doch könnte das Verständnis der zugrunde liegenden Physiologie, z. B. der Gehirnfunktion, die Prognose verbessern. Außerdem hat sich die Behandlung von chronischen Schmerzen zunehmend auf eine kosteneffiziente Änderung des Lebensstils verlagert.
Methode:
In einer systematischen Übersichtsarbeit wurden Artikel aus vier Datenbanken (Pubmed, EMBASE, AMED und CINAHL) herangezogen, um die Auswirkungen von körperlicher Betätigung auf die Gehirnfunktion und das Schmerzempfinden bzw. die Lebensqualität von Erwachsenen mit CP zu untersuchen.
Ergebnisse:
Die Suche ergab 1879 Artikel, von denen nach Ausschluss zehn in die endgültige Auswertung aufgenommen wurden. Bei den Teilnehmenden wurde entweder Osteoarthritis oder Fibromyalgie diagnostiziert. Zwei Studien schlossen „Fibromyalgie und Rückenschmerzen“ oder „Fibromyalgie, Rücken- und komplexe regionale Schmerzen“ ein. Trainingsinterventionen, die 12 Wochen oder länger dauerten (n = 8/10), veränderten die Hirnfunktion und verbesserten den Schmerz und/oder die Lebensqualität der Teilnehmenden. Die kortiko-limbische Bahn, das Default-Mode-Netzwerk und der dorsolaterale präfrontale Kortex waren die Schlüsselregionen, die nach der Intervention Veränderungen erfuhren. Alle Studien, die über eine Verbesserung der Gehirnfunktion berichteten, zeigten auch eine Verbesserung des Schmerzempfindens und/oder der Lebensqualität.
Diskussion:
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Veränderungen in der Hirnfunktion, insbesondere im kortiko-limbischen Bereich, im Default-Mode und im dorsolateralen präfrontalen Kortex, für die nachgelagerten Verbesserungen im subjektiven Erleben von CP verantwortlich sein könnten. Bei geeigneter Programmgestaltung (d. h. Dauer der Intervention) könnten körperliche Aktivität und Training eine praktikable Option zur Behandlung von CP durch ihren positiven Einfluss auf die Gesundheit des Gehirns darstellen.
Hier geht´s zur Studie: Link
Ableitungen für die Praxis
- Schmerz wird oft dann chronisch, wenn sich Veränderungen der Nervenbahnen und Hirnstrukturen einstellen, die die Schmerzwahrnehmung fördern und schmerzhemmende Signale verringern.
- Aufgrund der neuronalen Plastizität des Gehirns können sich die mit dem chronischen Schmerz assoziierten Hirnregionen wieder anpassen und den Dauerschmerz reduzieren. Besonders bei körperlicher Aktivität und Training unter variierenden Intensitäten wird vermutet, dass sich diese neuronalen Veränderungen einstellen.
- Außerdem helfen körperliche Aktivität und Training sowohl akut beispielsweise durch Durchblutungssteigerung Schmerzen zu verringern als auch langfristig durch die Leistungssteigerung der Muskulatur muskuläre Schmerzen zu verringern und vorzubeugen.