Immer mehr Menschen möchten hoch hinaus und entscheiden sich für den Klettersport. Besonders starken Zuwachs hat das Bouldern: Hier zählt der Deutsche Alpenverein mehr als 300.000 Aktive.
Von den geschätzten 600.000 Kletterbegeisterten in Deutschland bouldert etwa die Hälfte. Ob Kletterer oder Boulderer: Nahezu alle trainieren in Hallen. 2021 gab es 535 über 100 Quadratmeter große Anlagen. Durchschnittlich 60 Prozent der Fläche entfallen auf den Kletter- und 40 Prozent auf den Boulderbereich. Ergänzt wird das Angebot von kleineren Wänden, die beispielsweise in Fitnesscentern und Reha-Einrichtungen zu finden sind. Eine erhebliche Anzahl der Aktiven betreibt den Sport zusätzlich im Freien: Beim Klettern sind es 70 und beim Bouldern 30 Prozent.
Was unterscheidet Bouldern und Klettern?
Wichtig ist, Bouldern und Klettern auseinanderzuhalten. Gravierende Unterschiede liegen in der zu bewältigenden Höhe, der Art der Absicherung und dem Krafteinsatz. So werden beim Bouldern, anders als beim Klettern, kein Seil, Sicherungsgerät oder jemand, der absichert, benötigt. Meist ist nämlich spätestens bei vier Metern Höhe Schluss. Beim Klettern sind größtenteils zwischen 15 und 40 Meter zu bewältigen, wobei vor allem Kraftausdauer gefragt ist. Beim Bouldern ist eher die Explosivkraft entscheidend. Während Kletterer sich an geeigneten Stellen kurz erholen können, powerst du beim Bouldern an einem Stück durch, es erfordert also einen höheren Kraftaufwand. Ein Nachteil für Frauen, der aber durch weniger zu bewegendes Körpergewicht ganz gut wettgemacht wird – zur Orientierung: Wer Klimmzüge schafft, sollte auch das Bouldern hinbekommen.
Woher kommt das Bouldern?
Richtig los ging es Mitte der 1950er-Jahre. In Kalifornien wurde John Gill, der als Vater des heutigen Boulderns gilt, aktiv. Der Mathematikprofessor liebte das Ringeturnen. Um sich darauf vorzubereiten, kletterte er an kleinen Felsblöcken (englisch: boulders). Die Ringe waren bald vergessen, die Felsen blieben. Gill beeinflusste den Klettersport vor allem durch die Erstverwendung dynamischer Bewegungsabläufe. Zudem war er dazu in der Lage, dem Bouldern einen theoretischen Überbau in Wort und Bild zu liefern. Über Jahrzehnte entwickelte sich das Bouldern dann zu weltweiter Anerkennung, die auch durch Wettbewerbe wie dem Boulder-Worldcup zum Ausdruck kommt.
Was erwartet dich in den Hallen?
Überdacht kannst du wetterunabhängig und zur Wunschzeit bouldern. Dass Preisniveau in den Hallen bewegt sich meist wie folgt: Tageskarte 10 und 15 Euro, Monatskarte 50 und 75 Euro, Jahreskarte 450 und 550 Euro. Fast immer gibt es einen Trainingsbereich, in dem Balance und Fingerkraft geübt werden können. Beliebt sind dabei Slacklines und Campusboards. Bei der Slackline balancierst du auf einem gespannten Band. Ein Campusboard ist eine zum Nutzer geneigte Holzkonstruktion mit aufgereihten kleinen Querstreben, an denen du dich ohne Fußhalt mithilfe der Finger hochhangelst. Im Kernbereich sind an Wänden Boulderrouten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden abgesteckt. Die Routen erkennt man an den Farben der Griffe. Es gilt: Je größer die Griffe, desto leichter die Strecke. Zudem stellt sich die Frage: Hoch oder seitwärts? Hoch ist klar, da geht es meist auf nicht geradem Wege nach oben. Seitwärts kommen die Traversen ins Spiel. Das sind Elemente, die an der Wand entlang laufen; du absolvierst das Programm also in der Waagerechten, was weniger Muskelkraft und mehr Beweglichkeit erfordert. Zu deiner Ausstattung gehören übrigens Kletterschuhe, ein Beutel mit Magnesiumpulver (Chalkbag) und eine Bürste zum Säubern der Griffe. Das alles lässt sich in der Regel auch vor Ort ausleihen.
Was macht Bouldern reizvoll?
Das Kleinhöhenklettern ist ein effektives Ganzkörper-Workout, das Gleichgewicht, Koordination, Körpergefühl und die meisten wichtigen Muskeln beansprucht. Letzteres ist der Fall, weil du teils dein Körpergewicht halten und teils dich aus eigener Kraft hochziehen musst. Zusätzlich trainierst du die Griffkraft, also die Stärke der Hände beim Zupacken und vor allem beim Festhalten. Bouldern ist übrigens auch mental förderlich. Die Konzentration wird geübt, die Anstrengung baut Stress ab, Erfolgserlebnisse sind gewiss.
Ist Bouldern gefährlich?
Korrekte Einweisung und Beachtung der Sicherheitsregeln vorausgesetzt, ist Bouldern nicht viel gefährlicher als andere Sportarten. Die meisten Verletzungen treten beim Herunterkommen auf, denn beim Bouldern kommt nach dem Aufstieg der Fall. Du steigst nicht wieder an den Griffen ab, sondern stürzt dich von oben auf eine weiche Bodenmatte. Wie du richtig fällst, landest und abrollst, wird geübt. Sollte dennoch etwas schiefgehen, sind die Blessuren meist harmlos. An der Spitze stehen dabei verstauchte Sprunggelenke. Wenn’s hart auf hart kommt, kann es auch zu Brüchen des Fersenbeins, Bänder- und Kreuzbandrissen, Meniskusschäden und dergleichen kommen. Kopfverletzungen sind dagegen sehr selten. Das alles sollte aber kein Thema sein, wenn du den perfekten Abgang beherrschst. Im Übrigen ist es gerade anfangs keine Schande, einen oder zwei Meter abzuklettern und dann kontrolliert zu springen. Beobachten, was Erfahrene machen, kann auch nützlich sein.
Gibt es einen Boulder-Lifestyle?
In den Hallen hat sich eine Klientel herausgebildet, die einen bunten und hippen Dresscode einhält und ihre Leidenschaft untereinander teilen. Man verbringt gerne Zeit miteinander, diskutiert und tauscht Tipps aus. Das ist aber ein Kann und kein Muss, natürlich sind auch Solisten vor Ort. Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass der Community-Faktor höher ist als im Fitnessstudio. Das gilt auch für den Männeranteil (zwei Drittel), das durchschnittliche Alter ist dagegen niedriger. Es liegt bei 35 Jahren.
Was ist sonst noch zu beachten?
Wichtig sind Pausen. Ein Bouldertag, ein Ruhetag, gegebenenfalls auch zwei Bouldertage, zwei Ruhetage. Gerade zu Beginn, wenn die Finger die Belastung noch nicht gewohnt sind, sollte man sich daran halten. Auch vor zu eifrigem Üben am Campusboard sei gewarnt. Das Tool ist für erfahrene Boulderer, Anfänger laufen Gefahr, Sehnen und Bänder in den Händen zu ruinieren. Verzicht ist auch bei Blockaden angesagt. Heißt, man muss zur Umkehr bereit sein. Besser loslassen und nichts riskieren, als zu viel Ehrgeiz zeigen. Dann kann der nächste Versuch starten, verletzt ist dagegen erst einmal Schluss.
Quelle: shape UP
Bildquelle: UfaBizPhoto / shutterstock.com