Angesichts der hitzigen Diskussion um die Cannabis-Legalisierung geht shape UP der Frage nach, ob Sport gegen Beeinträchtigungen wirkt, die durch diese Form des Drogenkonsums hervorgerufen werden.
Ob die Umsetzung eines Gesetzes, das den Cannabis-Konsum – also überwiegend das Rauchen von Haschisch und Marihuana – weitgehend aus der Strafbarkeit herausholt, wie geplant, in diesem Frühjahr erfolgt, stand bei Redaktionsschluss nicht fest. Auf Details zu dem Vorhaben möchten wir aufgrund der unklaren Lage nicht eingehen, wichtig erscheint indes die Feststellung, dass es ganz klar ein Eingeständnis darstellt: Der regelmäßige Drogenkonsum einer recht großen Gruppe vor allem jüngerer Menschen ist staatlicherseits scheinbar nicht zu verhindern. Als häufige Cannabis-Konsumenten (Einnahme öfter als zehnmal in den zwölf Monaten) im jungen Alter gelten 5,9 Prozent der bis zu 25-Jährigen, also knapp 500.000 Menschen.
Wie schädlich ist Cannabis?
Anders als bei vielen anderen Rauschmitteln, stirbt niemand direkt am Konsum der aus der weiblichen Hanfpflanze gewonnenen Substanzen. Einigkeit besteht zudem darüber, dass das Suchtpotenzial im Vergleich zu anderen Rauschmitteln gering ist. Auch die besagten 500.000 Vielnutzer gelten noch längst nicht als abhängig. Genaue Zahlen dazu, wie hoch die Quote der Süchtigen tatsächlich ist, schwanken je nach Untersuchung zwischen zwei und neun Prozent der regelmäßig Konsumierenden. Zum Vergleich: Das Risiko, durch Gewohnheitskonsum in eine Abhängigkeit zu geraten, gilt für gut zwei Drittel der Raucher und knapp ein Viertel der Alkoholtrinkenden. Anders als bei Cannabis gibt es da auch etliche Drogentodesfälle.
Also, alles ganz harmlos?
Laut Deutscher Suchthilfestatistik ist Cannabis unter allen illegalen Substanzen führend bei psychischen Problemen und Verhaltensstörungen. Verantwortlich dafür ist die in Haschisch und Marihuana enthaltene psychoaktive Substanz Tetrahydrocannabinol (THC). Kurzfristige negative Folgen des Konsums umfassen unter anderem Vergiftungssymptome, Panikattacken und bei entsprechender Veranlagung psychotische Episoden. Die Wahrscheinlichkeit für negative Effekte steigt mit höheren Dosierungen und langanhaltendem Konsum. Langfristige Folgen umfassen neben entstehender Abhängigkeit etwa soziale Probleme und verschiedene psychische Störungen.
Wie wird die Sucht aktuell bekämpft?
Mittel der Wahl ist natürlich der Entzug, bei dem in härteren Fällen kognitive Verhaltenstherapien (auch in Kombination mit Motivationsprogrammen wie etwa „Quit the Shit“ von der BZgA) zum Einsatz kommen. In harmloseren Fällen kann Substitution probiert werden: Das ebenfalls aus der Hanfpflanze gewonnene Cannabidiol (CBD) könnte es leichter machen, mit THC-Konsum aufzuhören. Es wirkt vor allem beruhigend, hat aber keine Rauschwirkung. Bei Alternativen zum Entzug herrscht weitgehend Fehlanzeige. Könnte da vielleicht Sport helfen?
Sport und Cannabis
Die gängige Frage lautet meist „Hilft Cannabis bei Sport“. So erlangte die Substanz eine gewisse Bekanntheit, weil sie auf der Dopingliste der World Anti Doping Agency (WADA) steht. Insgesamt wesentlich spannender erscheint die Beantwortung der kaum gestellten Frage: „Hilft Sport bei Cannabis?“ Obwohl verstärkte körperliche Aktivität heute unumstritten als Gesundheitsbringer Nummer eins gilt, wird das Allheilmittel Sport in der Bekämpfung von Cannabiskonsumfolgen bislang wenig bis gar nicht genutzt. Es gibt aber Hinweise, dass der Verzicht auf ein derart niedrigschwelliges Unterstützungsangebot ein Fehler ist.
Kognitive Wirkungen von Sport
Speziell wenn es darum geht, negative kognitive Effekte des Cannabis-Konsums abzumildern, könnte Sport eine Waffe sein. Seine positive Wirkung auf Hirnaktivitäten ist gut belegt. Durch die verstärkte Konzentration auf Bewegung wird unser Denkzentrum, der präfrontale Cortex, entlastet. Sport macht somit tatsächlich den Kopf frei – wir werden entspannter, fokussierter und konzentrierter. Zudem wird die Hirndurchblutung angekurbelt, dies kommt auch dem für die Gedächtnisleistung wichtigen Hippocampus zugute. Wichtige Botenstoffe und Nervenwachstumsfaktoren erhalten Impulse, was die Entstehung neuer Verknüpfungen fördert, die Denkleistung stabilisiert, Stress reduziert und die Stimmung ansteigen lässt. Das alles funktioniert allerdings nur, wenn der Sport auch anstrengend genug ist.
Studie beweist Trainingsnutzen
Zu den bekannten Nebenwirkungen des häufigen Cannabiskonsums zählen Beeinträchtigungen von Gedächtnis, Sprache und komplexen Gedankenvorgängen, besonders bei jungen Erwachsenen sind neurokognitive Defizite zu beobachten. Ob schweißtreibender Ausdauersport dagegen helfen kann, wurde in einer US-Studie der University of Wisconsin untersucht. Im Fokus stand die Beobachtung von teils sportlichen und teils untrainierten jungen Cannabis-Nutzern, die drei Wochen abstinent waren. Zunächst zeigte sich, dass erhöhter Cannabis-Gebrauch selbst nach Abstinenz mit schlechten Leistungen in Gedächtnistests und anderen mit Gehirnfunktionen assoziierten Bereichen einherging. Sportler schienen dies aber teilweise kompensieren zu können, denn ein hohes Fitnesslevel korrelierte in den Tests mit erhöhter geistiger Leistungsfähigkeit.
Durchsetzungsschwierigkeiten
Um „harten“ Sport Cannabis-Nutzern uneingeschränkt empfehlen zu können, sind sicherlich noch weitere Studien erforderlich. So wurden in der zitierten Forschungsarbeit beispielsweise hochproblematische Fälle nicht untersucht, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, das Training hier wirkungslos wäre. Anderweitig ist zwar belegt, dass sich gesteigerte körperliche Aktivität generell bei Menschen mit diagnostizierten psychotischen Symptomen, speziell Depressionen, anbietet, der Beweis für Cannabis-Konsumenten ist aber noch nicht erbracht. Die eigentliche Herausforderung wird aber darin bestehen, die wie auch immer geartete Message „an den Mann“ zu bringen. Das Wissen, dass Sport hilft, gilt auch bei vielen anderen Gesundheitsproblemen. Bedauerlicherweise kursieren derartige Erkenntnisse aber größtenteils oft nur in Fachkreisen.
Quelle: shape UP 2/24
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