
Sie sind immer mehr im Trend und haben ungeheures Potenzial – Konzepte, die Fitnesssport mit Computerspielen verbinden. Willkommen beim Exergaming.
Mithilfe von Hightech spielerisch trainieren, gewinnt über die Gamer-Szene hinaus an Anerkennung. Fitnesseinrichtungen, Ärzte und Physiotherapeuten nutzen die Möglichkeiten bereits vermehrt für ihre Zwecke. Dass beim Exergaming Spaß und sportlicher Ertrag Hand in Hand gehen, verrät schon das Wort selbst, denn „Exer” ist nichts anderes als die Kurzform von „Exercise”. Die Übungskomponente besteht darin, das Game durch Bewegung voranzutreiben. Sei es, um vorprogrammierte Belohnungen zu ernten oder um sich durch aufregende Szenarien zu manövrieren.
Von untot bis nahezu himmlisch
In der einfachsten Form funktionieren Exergames über Apps, wenn beispielsweise mit Kopfhörer ausgestattete Jogger vor Untoten davonrennen (Zombies, Run!). Die nächste Stufe bilden Spielekonsolen – prominente Vertreter sind Wii von Nintendo, Microsoft Xbox und die Sony Playstation VR. Das Spektrum ist dabei groß: Ballspiele, Boxen, Gymnastik, Tanz und Yoga seien nur beispielhaft genannt. Bei der Wii kommt in Sachen Sport vorzugsweise ein Balanceboard als Eingabegerät zum Einsatz. Kinect Sports für Xbox 360 ersetzt den Controller durch vollständige Bewegungssteuerung. Bei Sony Playstation VR steht das VR für Virtual Reality. Dementsprechend wird mit VR-Brille trainiert.
Diese ist zugleich ein Berührungspunkt zur letzten Kategorie – dem Einsatz echter Sportgeräte. Die Fitnessbranche überlässt den Spieleanbietern also nicht kampflos das Feld. Sensoren erfassen Bewegungen, Gewichtsverlagerungen und Krafteinsatz und übertragen diese in eine Phantasiewelt. Die Eingabe erfolgt über Bikes, Laufbänder, Rudergeräte oder Bodenberührungen. Noch spezieller sind Simulatoren wie „Birdly“ und „Icaros”. Sie vermitteln das Gefühl, fliegen zu können.
Kommt Exergaming an „echtes” Training ran?
Teils, teils – es scheint tatsächlich Varianten zu geben, bei denen die körperliche Belastung genauso hoch ist, wie bei realen Vorbildern. Das ist natürlich besonders bei den echten Sportgeräten der Fall. Ansonsten gilt als Faustregel: Der klassische Sport ist so gut wie immer effektiver, Exergaming macht dagegen meist mehr Spaß. Krafttrainingsanwendungen sind im Übrigen sehr rar, hier stößt das Konzept derzeit wohl noch an seine Grenzen. Immerhin: Ganzkörper-Simulatoren-Übungen kommen dem Arbeiten mit Gewichten recht nah. Wie nahe, zeigte eine Studie aus Deutschland.
Üben aus der Vogelperspektive
Was taugt ein Ganzkörper-Exergaming? Ein Forscher-Team der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) ging dieser Frage nach, indem es den Icaros Simulator gründlich durchcheckte. Eine Erkenntnis: Das Gefühl, tatsächlich zu fliegen, wird recht gut vermittelt. So weit, so gut – wirklich von Interesse war aber, welche Auswirkungen das Training auf das Herz-Kreislauf-System hat und welches Potenzial für ein effektives Kraftausdauertraining besteht. Um dies herauszufinden, absolvierten 33 normalgewichtige Männer unter 30 Jahren je zweimal fünf Flugminuten über Bergketten und durch 63 dort platzierte Ringe. Acht Teilnehmer mussten das Experiment wegen Anzeichen einer Cyberkrankheit (ähnlich Reisekrankheit – Unwohlsein durch Wahrnehmung von Bewegung, obwohl der Körper weitgehend ruht) abbrechen. Die übrigen empfanden die Flüge als äußerst angenehm, aber auch als körperlich sehr anstrengend. Dennoch blieb die Herzfrequenz innerhalb einer niedrigen aeroben Intensitätsstufe – Icaros scheint also im Vergleich zum konventionellen Training wenig bis gar keinen kardiovaskulären Nutzen zu bieten.
Erfolge gab es hingegen bei der dorsalen Muskelkette: Nacken, Schulter und Rücken. Sie wurde gut aktiviert – ein Rumpfkrafttraining ist auf Icaros also recht gut möglich. Bei allen anderen untersuchten Muskelgruppen lag die durchschnittliche Aktivität aber unter 30 Prozent, was allenfalls für eine Mobilisierung langt. Zukünftige Konzepte sollten sich daher auf die Steigerung der dynamischen Muskelaktivierung konzentrieren, empfahlen die Wissenschaftler.
Weckt Exergaming den Sportgeist?
Oft wird behauptet, dass die Gamifizierung von körperlicher Bewegung das Potenzial hat, die vielfach fehlende Motivation zur sportlichen Betätigung zu wecken. Der Traum vom Fliegen oder was sonst sich die Entwickler an Sehnsuchts-Verwirklichung ausdenken: All dies könnten doch Vehikel sein, die Menschen in Bewegung zu bringen. Jüngere Menschen sind für derartige Motivationshilfen vermutlich empfänglich. Ob allerdings Erwachsene mit Bewegungsmangel durch Exergaming ihre körperliche Aktivität steigern, geht aus den derzeit vorhandenen Studien nicht verlässlich hervor. Bei den reiferen Jahrgängen besteht daher wohl eher der Verdacht, dass sich ohnehin schon Aktive von dem Spaß-Kick verleiten lassen, was ja auch nicht verkehrt ist.
Exergaming in Prävention und Reha
Gehen wir noch eine Altersstufe höher. Da, wo vermehrt körperliche und kognitive Beeinträchtigungen drohen oder bereits Realität sind. Hier scheint die spielerische Herangehensweise des Exergaming ein guter Door Opener zu sein. Beispiele für wissenschaftlich bestätigte, gute körperliche Effekte sind:
- Frozen Shoulder – betroffene Patienten steigerten ihren Bewegungsumfang besser als eine Kontrollgruppe, die Physiotherapie bekam.
- Chronische Kreuzschmerzen – signifikante Reduktion von Leidensdruck und Bewegungseinschränkungen.
- Sturzprävention – deutliche Verbesserung der Stabilität und der Fähigkeit, das Gleichgewicht zu halten.
Und kognitiv? Hier fand etwa ein Team vom Union College in Schenectady, New York heraus, dass es bei Älteren mit leichten Beeinträchtigungen, die oft einer Demenz vorangehen, dank Exergaming Leistungssteigerungen bei Denk- und Gedächtnisübungen gibt. Denn unter vier vergleichbaren Szenarien schnitt Spinning unter zusätzlicher Ausführung eines Videospiels mit deutlichem Vorsprung am besten ab. Schlussfolgerung der Gelehrten: Die besten Resultate für die Gesundheit des Gehirns werden durch eine Kombination von geistigen und körperlichen Aktivitäten erzielt.
Quelle: shape UP
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